Unterstützung von langzeitbeschäftigungslosen Menschen
Auch wenn die Anzahl an langzeitbeschäftigungslosen Personen in Vorarlberg kontinuierlich sinkt, sind Menschen, die schon länger ohne Arbeit sind, am Arbeitsmarkt benachteiligt. Was die Gründe sind, welche gesellschaftlichen Vorurteile herrschen und welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt, erklärt Benedicte Hämmerle, Geschäftsführerin bei arbeit plus - Soziale Unternehmen Vorarlberg im Interview.
Welche Gründe führen dazu, dass Menschen dauerhaft aus dem regulären Arbeitsleben ausscheiden?
Benedicte Hämmerle: Der Grund ist, dass es Menschen gibt, die den bestehenden Anforderungen vom regulären oder sogenannten ersten Arbeitsmarkt nicht (mehr) entsprechen können. Oft sind es gesundheitliche Einschränkungen und das Alter. Über 50 Jahre wird es heute schon schwierig, einen Job zu bekommen. Vor allem dann, wenn die notwendigen Qualifizierungen fehlen.
Mit welchen Vorurteilen sind langzeitbeschäftigungslose Personen konfrontiert?
Hämmerle: Menschen, die längere Zeit ohne Erwerbsarbeit sind, werden sehr schnell als „faul“ oder gar als „Sozialschmarotzer“ abgestempelt. Diese pauschale Be- bzw. Verurteilung ist inakzeptabel und erniedrigend. Als Verband arbeit plus SUV ist es unter anderem unsere Aufgabe, diese Vorurteile abzubauen, indem wir durch fundierte Informationen darstellen, dass viele Menschen unverschuldet in die Langzeiterwerbslosigkeit schlittern. Und wir sollten uns dessen bewusst werden, dass es im Grunde genommen jede und jeden von uns treffen könnte. Wir werden alle älter und wir können alle krank werden.
Gibt es berechtigte Bedenken bei der Einstellung von langzeitarbeitslosen Personen?
Hämmerle: Es geht nicht um Bedenken, es geht darum, die vorherrschenden betrieblichen Strukturen, Arbeitszeitmodelle und Rahmenbedingungen zu prüfen. Wen ich als ArbeitgeberIn bereit bin, mitarbeteiterInnen-freundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, dann gibt es für fast alle Menschen die Möglichkeit, ihr Leistungspotenzial erfolgswirksam anzubieten und einzusetzen. Es ist immer ein Nehmen und Geben. Deshalb abschließend ein klares Nein zu der Frage.
Sind alle Personen, die schon länger ohne Job sind, in den ersten Arbeitsmarkt integrierbar?
Hämmerle: Ja und nein. Derzeit nicht, weil die erforderlichen Rahmenbedingungen und die notwendige Begleitung fehlen. Ein Beispiel: eine 50-jährige Frau, die aufgrund von körperlichen Abnützungserscheinungen nicht mehr acht Stunden am Stück stehen und gehen kann, ist nur dann in der Lage zu 100 Prozent in einem Gastronomiebetrieb zu arbeiten, wenn dieser flexibel reagiert und ein Modell entwickelt, dass beispielsweise stehende und sitzende Tätigkeiten ermöglich. Auf den ersten Blick sind solche Anpassungen innerbetrieblich eine Herausforderung. Wenn ich mich als Betrieb aber damit auseinandersetze, gibt es erfahrungsgemäß immer Möglichkeiten. Ein Geben und Nehmen – eine Win-Win Situation. Aber wir müssen alle bereit sein, uns zu verändern. Gewohnte Strukturen zu hinterfragen, aufzubrechen und neu zu gestalten.
Warum sollen Unternehmen eine langzeitarbeitslose Person einstellen?
Hämmerle: Erstens können wir es uns nicht (mehr) leisten, verfügbares Arbeitskräftepotenzial brach liegen zu lassen. Zum anderen hat jeder Mensch ein Recht auf Arbeit. Es muss uns als Wirtschaftsstandort nicht nur ein Anliegen sein, sondern oberste Priorität haben, allen Menschen eine menschwürdige und korrekt entlohnte Erwerbsarbeit anbieten zu können. Arbeit ist der Schlüssel zur Selbstbestimmtheit und Teilhabe an der Gesellschaft. Lange Arbeitslosigkeit erzeugt Armut, Krankheit und gefährdet letztendlich den sozialen Frieden.
Welche Aktivitäten setzt arbeit plus, um die Situation von langzeitarbeitslosen Personen zu verbessern?
Hämmerle: Arbeit plus ist die Interessensvertretung der Sozialen Unternehmen, die den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt abbilden. Das sind Sozialökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte für Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Diese Menschen haben Anspruch auf einen Arbeitsplatz in einem Sozialökonomischen Betrieb. In einem solchen können sie eine bestimmte Zeit (einige Monate) einer bezahlten Tätigkeit nachgehen. Ziel ist die Re-Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Dabei werden sie professionell unterstützt. Arbeit plus ist auch Kooperationspartner gegenüber den Fördergebern AMS und Land Vorarlberg, Koordinationsstelle für interessierte Unternehmen aus der Region und im arbeit plus Bundesverband vertreten. Arbeit plus ist Impulsgeber für soziale Innovationen und setzt sich letztendlich für einen inklusiven Arbeitsmarkt ein. Arbeit plus ist die Stimme für am regulären Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen.
Gibt es Strategien bei arbeit plus, um Unternehmen für die Einstellung von langzeitarbeitslosen Personen zu motivieren?
Hämmerle: Wir wollen mit den Unternehmen noch mehr ins Gespräch kommen um gemeinsam Lösungen zu suchen und zu finden. Unsere Strategie ist es, uns noch viel stärker mit den Betrieben und Sozialpartnern zu vernetzen.
Wie sieht aus Ihrer Sicht der optimale Arbeitsmarkt aus?
Hämmerle: Der optimale Arbeitsmarkt hält für alle Menschen im erwerbsfähigen Alter eine adäquate Erwerbsarbeit bereit. Wir haben es in der Hand, einen solchen zu kreieren. Aber das können wir nur gemeinsam tun.
Mehr Informationen zum Verein arbeit plus - Soziale Unternehmen Vorarlberg
Einstellungen von langzeitbeschäftigungslosen Menschen bei der meya elasticumspinnerei in Lustenau
AMS Berufsinfomat
Der AMS Berufsinfomat beantwortet Fragen rund um das Thema Berufe, Aus- und Weiterbildung. Er nutzt fortschrittliche KI-Technologie zur Formulierung dynamischer Antworten. Probieren Sie es aus!
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