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Jugendberaterin
Arbeitssuchende fördern

Jugendberatung zwischen den Extremen

Alexandra Heiß ist seit 35 Jahren Beraterin im AMS. Seit 12 Jahren unterstützt sie Jugendliche bis 17 Jahren und junge Menschen mit Behinderungen bis 25 Jahren aus dem Bezirk Bregenz auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt. Im Interview erzählt sie, welche Herausforderungen es in der Beratung von arbeitslosen Jugendlichen gibt und wie Unternehmen von einer Zusammenarbeit mit dem AMS profitieren.

Alexandra Heiß, Sie sind nun seit über 30 Jahren in der Beratung tätig. Nach so langer Zeit, was fordert Sie in ihrer Arbeit noch heraus?

Heiß: Was meine Arbeit nach wie vor so herausfordernd macht, ist, dass ich es mit den Extremen zu tun habe. Zum einen mit Jugendlichen, die ganz auf sich allein gestellt sind und von ihrem sozialen Umfeld keine Unterstützung erhalten. Die Eltern kümmern sich nicht um sie, sie sind sich selbst überlassen. Zum anderen habe ich es mit jungen Menschen zu tun, die von zu Hause aus verhätschelt und in Watte gepackt werden. Das sind die Unselbstständigen, denen alles hinterhergetragen wird. Diejenigen, die sich vom Verhalten her im Mittelmaß bewegen, sind nicht bei mir, die gehen arbeiten, besuchen eine Schule oder machen eine Lehre.

Und nach über 30 Jahren Beratungserfahrung muss ich mir immer noch bewusst machen, dass es nicht meine Kinder sind, dass ich einen emotionalen Abstand zu bewahren habe, auch bei all den bewegenden Schicksalen und Lebensgeschichten der jungen Menschen. Ich bin nicht der Verwaltungstyp, eher die Streetworkerin, welche die Jugendlichen nicht einfach abfertigt, sondern versucht, sich in ihre Situation hineinzuversetzen. Ich nehme mir die Zeit, die es braucht. Meine Arbeitstage sind daher oft lang, aber ich finde, die Jugendlichen haben ein Recht darauf, so gut wie möglich betreut zu werden.  

Was hat sich bei den Jugendlichen, die Sie beraten, über die Jahre hinweg verändert?  

Heiß: Die Respektlosigkeit hat sicher zugenommen. Dazu gehört, dass die Jugendlichen Termine nicht einhalten und Vereinbarungen ignorieren. Sie stehen vielem auch gleichgültig gegenüber. So schmeißen sie die Lehre oft leichtfertig hin, verschwinden dann einfach und tauchen nicht mehr auf. So muss ich bei den meisten erst Grundlagenarbeit leisten, ihnen bewusst machen, dass sie sich an Regeln zu halten haben. Es gibt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten, es ist ein Geben und ein Nehmen.

Und was in den letzten Jahren verstärkt hinzugekommen ist, sind die Herausforderungen im Umgang mit den sozialen Medien. Mobbing hat es zwar immer schon gegeben, aber die Demütigungen und sozialen Ausgrenzungen haben durch die digitalen Möglichkeiten enorm zugenommen. Ich habe viele Jugendliche in der Beratung, die Opfer von Mobbingvorfällen sind, das geht hin bis zu Suizidversuchen.  

Mit welchen Herausforderungen sind die Jugendlichen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einer Arbeit konfrontiert?

Heiß: Es sind vielfältigen Problemlagen, die eine Vermittlung erschweren. Ich habe es mit Jugendlichen zu tun, die physische und psychische Einschränkungen haben, obwohl ich diese Begrifflichkeiten nicht mag, ich nenne sie lieber meine Jugendlichen mit Special Effects. Suchtprobleme, Vorstrafen aufgrund von Gewaltdelikten und soziale Defizite machen es den jungen Menschen zudem schwer, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ich habe also nicht die Musterknaben und Vorzeigeschülerinnen bei mir, die uneingeschränkt vermittelbar sind.

Interessant zu beobachten ist, wie bestimmte Verhaltensmuster weitergegeben werden. Von einigen Jugendliche, die ich betreue, kenne ich die Eltern, zum Teil sogar die Großeltern, aus erster Hand, da sie selbst bei mir in der Beratung waren. Ich kenne also manchmal schon drei Generationen. Was mir im Umgang mit den Jugendlichen hilft, ist mein Einfühlungsvermögen. Ich stelle mir vor, wie es mir in dieser Situation gehen würde, blicke dann auf meine Jugendzeit zurück, in der ich auch ziemlich rebellisch war. Was die Jugendlichen vor allem brauchen, ist Selbstvertrauen. Da helfen oft schon ein paar wertschätzende Worte und ein respektvolles Entgegenkommen meinerseits, um sie zu motivieren und ihnen ein besseres Gefühl zu geben.

Und welche Potenziale bringen die Jugendlichen mit, die von Ihnen betreut werden?

Heiß: Grundsätzlich haben sie die gleichen Potenziale wie andere auch. Wenn sie ihre Probleme in den Griff bekommen, wieder auf die Spur zurückfinden, dann sind sie oft besser auf den Arbeitsmarkt vorbereitet als beispielsweise Schülerinnen oder Schüler, die das Gymnasium abbrechen, weil dort keine oder kaum berufliche Orientierung stattfindet, im Gegensatz zu Mittelschule oder Polytechnischer Schule. Wenn die Jugendlichen über das AMS vermittelt werden, dann haben sie schon berufsbezogene Erfahrungen gemacht wie Berufsorientierung oder Praktika. Sie waren schon mit der Realität am Arbeitsmarkt konfrontiert.

Ich bin grundsätzlich überzeugt, dass jede und jeder eine Chance verdient hat. Ich hatte einmal eine junge Frau in Betreuung, die drogenabhängig war, sich prostituierte und kriminellen Aktivitäten nachging. Alle sagten zu mir, die wird es zu nichts bringen, verschwende nicht deine Zeit. Und ich dachte mir, euch werde ich es zeigen. Schlussendlich hat sie eine Chance auf einen befristeten Job bei einem großen Unternehmen in Vorarlberg erhalten. Entgegen allen Erwartungen hat sie sich dort so gut entwickelt, dass sie einige Jahre im Unternehmen geblieben ist.

Stichwort Unternehmen. Welche Unterstützung bieten Sie den Betrieben bei der Personalsuche?

Heiß: Wenn ich die Jugendlichen bei mir habe, dann suchen wir gemeinsam nach offenen Stellen. Ich rufe dann auch bei Unternehmen an und kläre telefonisch die Situation mit den Personalverantwortlichen. Sollte es mit einer sofortigen Arbeitsaufnahme nicht funktionieren, biete ich den Betrieben unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten an wie die Förderung der Lehrausbildung oder ein längeres Praktikum. Aufgrund meiner langjährigen Beratungserfahrung kann ich sehr gut einschätzen, welchen Jugendlichen ich dem Unternehmen empfehle.

Ich sage den Jugendlichen immer, sie sollen sich eine Arbeit suchen, bei der sie sich vorstellen können, mindestens drei Jahre, oder so lange die Lehre eben dauert, zufrieden zu sein. Ansonsten wird das nichts, dann haben weder die Unternehmen noch die Jugendlichen etwas davon. Ich nutze auch unser weites Netzwerk an Partnerinstitutionen, welche dabei helfen, die Jugendlichen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Diese bieten beispielsweise Orientierungskurse, Bewerbungstrainings oder Jugendcoachings. Das ist der große Vorteil an einer Zusammenarbeit mit dem AMS, wir können aus einem Pool vieler Möglichkeiten schöpfen.

Was mich besonders freut, ist, dass auf meine Initiative hin das Projekt Tapetenwechsel ins Leben gerufen wurde. Hier werden junge Menschen mit psychosozialen Vermittlungshindernissen bei ihrem Einstieg in den Berufsalltag unterstützt. Es heißt ja, die Jugend ist unsere Zukunft, also ist es wichtig, den jungen Menschen gegenüber eine positive Einstellung zu haben, verdient haben sie es auf jeden Fall.


Förderangebote: Jugend fördern - Unternehmen stärken

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